Das Datum war dabei kein Zufall: am 01.01.1994 sollte das internationale Handelsabkommen zwischen Mexiko und den USA NAFTA in Kraft treten und damit die Neoliberalisierung und Ausbeutung Mexikos weiter vorantreiben.
Die indigene Bevölkerung des Südens, hauptsächlich in Chiapas um den lakandonischen Urwald, organisierte sich bereits seit den 80ern klandestin als Guerilla in den Bergen. Am besagten Datum sollte die mehrheitlich indigene Guerilla sechs Städte im Bundesstaat Chiapas besetzen und somit die Revolution ausrufen.
Man sagt jedoch, dass 1993 die Revolution vor der Revolution stattgefunden hat, mit den revolutionären Frauengesetzen, erarbeitet von den Frauen aus den Reihen der EZLN und der Zivilbevölkerung. Darin schrieben die Frauen unter anderem das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper, Kinderwünsche und Partnerwahl fest, aber auch das Alkohol und Drogenverbot, dass bis heute einen grundlegenden Teil der zapatistischen Organisierung darstellt. Durch ein tiefes Verständnis der Verbindung von Alkohol und Drogenkonsum mit Gewalt gegen Frauen sowie kolonialer Gewalt, entlarvten die Frauen diese Mittel bereits früh als spezielle Form der Kriegsführung und verstanden es, sich als gesamte aufständische Gemeinschaft dagegen zu verteidigen.
Zurück ins Jahr 1994: Nach zweiwöchigen Kämpfen versuchte die mexikanische Regierung, den Aufstand durch Verhandlungen zu bremsen. Die Verhandlungsergebnisse und die Befriedung mit dem Neoliberalismus wurden jedoch durch Abstimmungen in den zapatistischen Dörfern abgelehnt. Stattdessen rief die EZLN alle Bevölkerungsgruppen Mexikos dazu auf sich für die Demokratisierung des gesamten Landes zu organisieren und kündigte an, so lange zu kämpfen, bis ihre Forderungen nach Arbeit, Land, Wohnung, Ernährung, Gesundheit, Ausbildung, Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden erfüllt sind. Alsbald begann der Aufbau ziviler Selbstverwaltungsstrukturen. So entstanden 2003 die Räte der guten Regierung (Juntas de Buen Gobierno) und Caracoles als Verwaltungszentren. In diesen lokalen, kommunalen und regionalen Räten, werden alle Entscheidungen basisdemokratisch getroffen. Die Repräsentant:innen der Räte, die regelmäßig wechseln, haben keine eigene Entscheidungsmacht, sondern müssen die Beschlüsse der Räte umsetzen. Außerdem begann der Aufbau selbstverwalteter Schulen, Krankenhäuser und Landwirtschaftskooperativen, mit besonderem Augenmerk auf den Frauenkooperativen.
Trotz permanenter Angriffe durch den mexikanischen Staat und rechte Paramilitärs wachsen die selbstverwalteten Gebiete seitdem immer weiter und umfassen aktuell 43 Gemeinden, in denen mehrere hunderttausend Menschen leben.
Der Aufstand 1994 war ein entscheidender, wichtiger Schritt, der nur durch jahrelange Arbeit, Organisierung und Bildung möglich war. Gleichzeitig ermöglichte erst dieser Schritt unzählige revolutionäre Errungenschaften in Chiapas, Mexiko und auf der ganzen Welt.
Wie jede Gesellschaft auf der Welt, die sich von der dystopischen Realität des Kapitalismus entfernt und einen selbstverwalteten, solidarischen Weg geht, ist auch die Indigene Bevölkerung in Chiapas permanenten, grausamen Angriffen ausgesetzt. Trotzdem beugen sie sich nicht und machen ihrem Motto getreu weiter: „Sin pausas pero sin prisas“ („Ohne Pause und ohne Eile“). Denn die Zapatistas sehen revolutionäre Politik als lebendigen und langwierigen Prozess des gleichzeitigen Handelns und Lernens.
Eine der größten Gefahren für die Autonomie der Indigenen und die Natur in Mexiko soll laut den Plänen ab diesem Jahr auf Hochtouren laufen: Der sogenannte Tren Maya (Maya-Zug). Die 1525 km lange Zug- und Autobahnstrecke, die zynischerweise nach den Vorfahren der Zapatistas benannt wurde, soll Naturschutzgebiete, Regenwälder und die Gebiete von Indigenen für mexikanische und internationale Konzerne erschließen. Dabei würden mindestens 23 Naturschutzgebiete, unzählige weitere Ökosysteme und das Grundwassersystem des Landes direkt beschädigt oder zerstört werden. Das Großprojekt wäre nicht nur das Einfallstor für kapitalistische Industrie und Umweltzerstörung, sondern würde auch der mexikanischen Armee (der ein Großteil des Projekts gehört) ermöglichen, ihre permanenten Angriffe auf die autonomen Gemeinden zu intensivieren. Deutsche Konzerne, wie die Deutsche Bahn, Siemens, TÜV Rheinland oder Heckler & Koch sind maßgeblich an diesem Verbrechen beteiligt. Deshalb müssen wir den Widerstand gegen den Tren Maya, für den Aktivist:innen in Mexiko regelmäßig ermordet werden, hier sichtbar machen und durch eigene Aktionen verstärken!