Kriegstüchtig? Nein danke – Interview mit „Schulstreik gegen Wehrpflicht“

In Deutschland nimmt die Kriegsmaschine Fahrt auf, bei Rheinmetall klingeln die Kassen und "Kriegstüchtigkeit" ist das Gebot der Stunde. Kürzlich hat die Bundesregierung ein neues Wehrdienstgesetz auf den Weg gebracht, dass sich vom Grundsatz der Freiwilligkeit verabschiedet. Was denken diejenigen darüber, die bald wieder zur Musterung antanzen sollen? Ein Interview mit der Initiative "Schulstreik gegen Wehrpflicht", sie sich am kommenden Freitag der Abstimmung gegen die Mobilmachung widersetzen will.

Kriegstüchtig? Nein danke – Interview mit „Schulstreik gegen Wehrpflicht“

SsgW: Ich glaube, es gibt dafür mehrere Gründe. Ein Grund ist, dass es wichtig ist, dass junge Menschen sich dagegen einsetzen, dass diese Regierung bestimmen wird, wie sie im Zweifel ein halbes Jahr, oder auch ein Jahr ihres Lebens zu verbringen haben. Und die Regierung sagt: „Naja, ihr müsst eben in Kasernen, ihr sollt militärischen Drill erfahren, ihr sollt lernen, im Zweifel auf andere Menschen zu schießen und das im Interesse dieses Staates“. Dagegen lohnt es sich schon an sich, sich einzusetzen. 

Ein weiterer Aspekt ist, dass wir sagen: Es werden diese Menschen sein, also der Jahrgang 2008, oder die Geschwister von diesen Leuten, die als erstes gemustert werden und im Zweifel als erstes eingezogen werden. Und diese Leute haben eben gerade kein anderes Mittel, um auf sich aufmerksam zu machen, um laut zu werden, um tatsächlich Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, als in den Schulen zu streiken.

Ein weiterer Aspekt, warum das an den Schulen besonders wichtig ist, ist, dass man dort ganz direkt merkt, dass die Interessen von jungen Menschen dieser Regierung wirklich einfach egal sind. Ich habe das selbst erlebt. Meine Schule hatte im Winter keine Heizung, im Sommer haben Leute bei 40 Grad im Klassenzimmer gesessen. Es fehlen zehntausende Lehrkräfte und die jungen Menschen haben immer mehr Zukunftsängste, sitzen in der Schule und sollen sich dann für diese Regierung im Zweifel mit ihrem Leben einsetzen. Das wird so nicht funktionieren und das lehnen wir ab. Und darum alleine lohnt es sich schon, am 5.12. für seine eigenen Interessen auf die Straße zu gehen.

SsgW: Wir glauben, dass es wichtig ist, ganz klar zu machen, dass das tatsächlich nur der erste Schritt hin zu einer Wehrpflicht ist. Das wird ja jetzt, während Sie gerade schon dieses Gesetz zur Musterung durchbringen, ganz klar in den Medien von CDU, CSU, aber auch SPD-Vertretern so besprochen. Da wird dann gesagt: „Naja, wir versuchen das jetzt mal mit Freiwilligkeit. Wir setzen auch noch ein paar Anreize, ein paar Euros mehr, einen Führerschein. Aber wenn das nicht reicht, dann machen wir eben den Zwang“. Es wurde ja jetzt bereits schon kritisiert, dass dieses Gesetz zu lasch sei. Das heißt, wir betrachten das als den ersten Schritt hin zur Wiederaktivierung der Wehrpflicht.

Und ich glaube, das leitet sich auch einfach daraus ab, dass gesagt wird, „wir wollen kriegstüchtig sein“. Das soll im Jahr 2029, 2030 soweit sein. 

Gleichzeitig sagt zum Beispiel der Bund der deutschen Reservisten: „Wenn ein Krieg gegen Russland ist, sterben 5000 Soldaten am Tag. Das wird sich so nicht ausgehen“. Das ist eine Rechnung, die ganz deutlich so gemacht wird.

Und darum glauben wir, dass man sich da nicht verarschen lassen und das einfach nur so hinnehmen darf als eine nette, abgemilderte Form, sondern eben als einen ersten Schritt hin zur Reaktivierung.

SsgW: Es gibt sehr zwiegespaltene Reaktionen auf die Streiks. Einige Lehrkräfte und Schulleitungen unterstützen das im Rahmen des Möglichen, die sagen, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler nicht bestrafen werden.

Die sagen im Zweifel sogar, dass sie vielleicht mitmachen werden. Das begrüßen wir und freuen uns darüber, wenn die sagen: „Unsere Schülerinnen sind eben die, die im Zweifel in den Krieg müssen. Und wir setzen uns an ihrer Seite dafür ein, dass das eben nicht passiert.“

Es gibt aber auch den Gegenfall. Ich kann das am Göttinger Beispiel ein bisschen deutlich machen. Wir hatten Fälle in denen Leute gesagt haben, wir unterstützen die Sache, wir versuchen sogar vielleicht selbst zu streiken. Aber eben auch Fälle, dass Schulleitungen Plakate immer wieder abnehmen, dass sie versuchen, Schülerinnen und Schüler ganz explizit anzusprechen, wenn sie flyern, wenn sie Plakate aufhängen und ihnen damit quasi versuchen auszureden, das zu tun oder sie sogar versuchen einzuschüchtern, indem sie Konsequenzen androhen und sagen: „Wenn du streikst, werden wir das aufschreiben. Wenn du Leute dazu anstiftest, ist das ein riesiges Problem. Das darf man gar nicht in der Schule zu solchen Streiks aufrufen, etc.“

Wir haben aber auch erlebt, dass versucht wurde, zum Beispiel SV-Treffen (Schüler:innenvertetungen) zu verhindern, die sich in Solidarität mit dem Streik äußern wollen. In solchen Fällen versuchen wir, das aufzufangen, versuchen, das bekannt zu machen und versuchen auch gerade den Aktiven, die von solchen Einschüchterungen betroffen sind, Mut zu machen und zu sagen, wenn du zu solchen Treffen mit Lehrern, mit Schulleitungen musst, dann geh da nicht alleine hin. Diese Bewegung steht hinter dir und wir lassen uns da nicht einschüchtern.

Wir wissen, dass das ein gezielter Regelbruch ist und das wollen wir auch so machen. Wir brauchen da im Zweifel nicht die Zustimmung. Und es ist super, wenn wir da unterstützt werden. Wenn nicht, werden wir das ohne sie tun. Und das muss klar sein.

SSgW: So wie wir das bisher wahrgenommen haben, auch in Umfragen, die zum Beispiel für die Mobilisierung des Streiks gemacht werden, ist ein Großteil der jungen Menschen an den Schulen auch gegen die Wehrpflicht und ist bereit, sich dagegen einzusetzen. Ich glaube, es gibt schon auch in jeder Schule, wahrscheinlich sogar in jeder Klasse, Menschen, die diesen Lügen oder diesen Anbiederungsversuchen gerade auf den Leim gehen. Das hat ganz verschiedene Gründe.

Ich glaube, einige fallen tatsächlich einfach auf dieses Narrativ rein, es wäre was Gutes, sich für diese Regierung mit der Waffe in der Hand einzusetzen oder glauben, die Bundeswehr wäre ein ganz normaler Arbeitgeber, wo man so ein Abenteuer erleben kann. Dann versuchen wir eben auch ganz klar aufzuzeigen, dass das nicht so ist.

Es gibt unfassbar viele Missbrauchsvorfälle in der Bundeswehr. Das Ziel da ist, dich eben auch zu brechen und den militärischen Drill einzufüttern. Und dass es kein normaler Arbeitgeber ist und eben auch ganz besonders kein Abenteuerurlaub, sondern ein Ort, wo du eben lernen sollst, im Zweifel für diesen Staat zu sterben und andere Menschen für ihn zu töten. Eine andere Sache, die glaube ich sehr wohl verfängt, sind diese materiellen Anreize. Das bedeutet, wenn du gerade in einer Oberstufe sitzt und ganz klar ist, du findest erstmal keine gute Ausbildung, du findest erstmal keinen guten Job und du möchtest eben nicht für ein paar Euro in der Stunde irgendwo einen Scheißjob machen, dann sind diese tausenden Euros, die du beim Bund für das erste Ausbildungsjahr bekommst, schon ein sehr großer Anreiz. Da fallen Leute eben darauf rein, dass sie da mitmachen werden.

Und da versuchen wir eben in die Diskussion zu gehen, und zu fragen, ist das wirklich dieses Geld wert? Ist es wirklich deine Zukunft wert, da jetzt quasi deine Seele an den Bund zu verkaufen, blöd gesagt? Du kommst ja auch ganz schwer aus diesen Verträgen wieder raus. Und da versuchen wir natürlich nicht, den Leuten zu sagen, du, du, du, das ist jetzt ganz böse, sondern eben zu erklären, das ist im Zweifel nicht nur gegen deine eigenen Interessen, sondern eben auch gegen die Interessen deiner Mitschülerinnen und Mitschüler – Fall da bitte nicht drauf rein.

SSgW: Ja, ich glaube, das ist leider sehr wahrscheinlich, dass das so passieren wird. Es muss ganz klar sein, dass der 5.12. nicht das Ende dieser Bewegung sein darf, sondern dass das der Anfang ist. Wir glauben, dass es ganz wichtig ist, dass die Menschen in den Schulen, in denen es jetzt erste Aktivitäten gab, aktiv bleiben. Dass sie in den Städten aktiv bleiben und dass man sich auf weitere Aktionen vorbereitet und weiter dieser Regierung deutlich macht: Wenn ihr das abstimmt gegen den Willen der jungen Menschen, gegen ihre Interessen, dann könnt ihr euch darauf einstellen, dass wir genauso weitermachen. Dass wir dagegen kämpfen werden und dass wir auch Wege finden werden, wenn das dann eingeführt wir. Und das eben ganz besonders mit dem Fokus auf die Jahrgänge, die das auch betrifft.

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