Wahlbetrug in der Türkei aufgedeckt
Seit der Präsidentschafts- und Parlamentswahl in der Türkei am Sonntag fliegen immer mehr Arten des Wahlbetrugs auf.
Die Auszählung der Urnen fand größtenteils unter Aufsicht von Wahlbeobachter:innen der meisten Parteien statt, wodurch dabei systematische Fälschung größtenteils verhindert wurde. Die Ergebnisse der Wahllokale wurden jedoch ohne Überwachung an die Wahlbehörde (YSK) übermittelt.
Dabei wurden offenbar Stimmen der YSP und CHP an rechtsradikale Parteien wie die MHP verschoben.
Auf Twitter tauchen immer mehr Fotos auf, die die Listen der Auszählung mit den endgültigen Ergebnissen vergleichen. Auch Stimmen des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Kılıçdaroğlu wurden fälschlicherweise für Erdoğan oder andere Kandidaten eingetragen.
Gegen die Ergebnisse, bei denen Stimmenklau bewiesen wurde, wird Widerspruch eingelegt. Die linke YSP kündigte an, sämtliche Wahllokalergebnisse überprüfen lassen zu wollen.
Der Fakt, dass diese Art der Wahlfälschung sowohl in Nordkurdistan als auch in den westtürkischen Provinzen aufgetreten ist, deutet daruaf hin, dass dahinter keine Einzelpersonen stecken, sondern ein systematischer Versuch unternommen wurde, sie Wahl zu manipulieren und die Kontrolle durch die Opposition, die für die Wahlbeobachtung über eine halbe Million Menschen einsetzte zu umgehen.
20-jährige nimmt sich nach Wahlergebnis das Leben
Nachdem Wahlausgang hat sich am Montag in Istanbul Yenikapi eine 20-Jährige das Leben genommen. Die junge Frau hinterließ einen Abschiedsbrief, in dem sie das Wahlergebnis und seine Folgen als Grund nannte. Sie beschreibt ihre Lebensrealität als junge Frau in der Türkei unter Erdogan mit folgenden Worten:
“Ich bin 20 Jahre alt. Sie haben mir meine ganze Jugend gestohlen, ich bin müde. Ich weiß nicht, was Demokratie ist, […] Ich habe mich als Frau nie frei gefühlt, auch wenn meine Familie mich in jeder Hinsicht unterstützt hat, fühlte ich mich nicht frei. Seit zwei Jahren erhalte ich psychologische Unterstützung. Wegen der Menschen in diesem Land konnte ich meine Kindheit nicht leben, ich konnte meine Jugend nicht leben.”
Am Dienstag kam es als Reaktion auf den Tod der jungen Frau zu Protesten an der Uni und in Yenikapi. Junge Frauen, das Universtäre Frauenkollektiv, sowie andere Gruppen an der Uni protestierten gegen die Politik der Regierung, die der Jugend und gerade jungen Frauen keine Perspektive bietet und sie unterdrückt. Sie hielten Transparente mit der Aufschrift “Mord, nicht Selbstmord” hoch und riefen “Wir akzeptieren diese Leben nicht, dem wir unterworfen sind.”. Sie wiesen auch auf vergangene Fälle hin, in denen sich Jugendliche das Leben aus ähnlichen Gründen das Leben nahmen.
Der private Sicherheitsdienst der Uni griff die Proteste an und versuchte, sie zu verhindern.
Ausgangssperre und Militäroperation in Şirnex
In der nordkurdischen Region hat das türkische Militär am Dienstag eine Militäroperation gestartet. Nachdem die Polizei nach den sehr guten Ergebnissen für die grünlinke YSP in der Region bereits in der Wahlnacht die Städte angriff und Tränengas einsetzte, begann das Militär nun die Guerillaeinheiten in der Region anzugreifen.
Diese befinden sich in einer Defensivposition, seitdem nach dem verheerenden Erdbeben im Februar eine einseitige Waffenruhe durch die PKK erklärt wurde, und sind dazu angehalten sich lediglich zu verteidigen, wenn sie angegriffen werden. Im Rahmen der Auseinandersetzungen wurden nach letzten Informationen 4 Soldaten und ein Paramilitär auf der Seite des türkischen Militärs getötet, sowie 2 Guerillakämpfer.
Daraufhin erklärte das türkische Militär eine zweiwöchige Ausgangssperre in weiteren Teilen der Provinz, diese gilt bis zum 30. Mai, würde also auch die Wahl am 28. Mai in dieser traditionell widerständigen Region verhindern.
Am Dienstagabend wurde zudem in der Stadt Silopiya ein 5-jähriges Kind durch ein gepanzertes Fahrzeug der Besatzungspolizei erfasst und erlitte einen Wirbelsäulenbruch, es liegt weiterhin auf der Intensivstation.
Immer wieder werden in Nordkurdistan Zivilist:innen aber vor allem Kinder von gepanzerten Fahrzeugen der Polizei erfasst und getötet. Zwischen 2018 und 2022 starben so 19 Personen, darunter neun Kinder.